Alle Hersteller liefern mittlerweile ein “Entspannungsglas” ein Einstärkenglas mit zusätzlicher Nahwirkung im unteren Bereich. Viele Optiker nehmen dieses Produkt freudestrahlend auf und bieten es jedem Kunden an. Manchmal mit Erfolg und oft auch ohne. Die viel bedauerlichere Gruppe sind all die Menschen die keinen Vorteil spüren, aber bezahlt haben. Diese kommen vermutlich auc nicht zurück zum Optiker, für die nächste Brille.
Wer seinen Kunden “nur” nach Problemen fragt diese aber optometrisch nicht einordnen kann verhält sich fahrlässig bei der Empfehlung dieser Gläser. Zu diesem Zweck muss zwingend der AC/A und weitere Parameter berücksichtigt werden.

Der Kunde hat im Regelfall eine Kopplung der Akkomodation mit der Konvergenz, die in einem gewissen Toleranzbereich liegen sollte. Optimal wäre bei einer PD von 31/31,5 ein AC/A von 6,25.
Dieses Modell arbeitet mit der geometrischen Vorstellung das Akkomodation und Konvergenz exakt am gleichen Punkt liegen. Der daher resultierende Wert ist ein “geometrischer” AC/A und entspricht nicht dem des gemessenen Quotient oder Gradient (beide ebenfalls nicht gleich). Das bleibt für die Hypothese der Überlegung aber bedeutungslos, da der geometrische Fehler auf alle Varianten übertragen wird. In der Realität ist es meist so, das die Akkommodation etwas “hinterher hinkt”. Das bedeutet wir konvergieren auf 43cm und akkommodieren auf 47cm um ein Objekt in 40cm scharf zu sehen. Daher ist ein gemessener AC/A Quotient Normal bei 4 (Low:2 und High:6) nicht gleich der Modellvorstellung.
Konvergiert der Mensch näher als seine Akkommodation ist er in der Nähe esophorischer als in der Ferne. Geben wir ihm nun eine kleine Addition von 0,5dpt muss er weniger akkommodieren und das System passt besser zusammen. Diese “Wellness-Unterstützung” ist hilfreich und akzeptabel, wenn sie zusätzlich mit Visualtherapie flankiert wird, um eine frühzeitige Presbyopisierung (schreibt man das so) zu minimieren.
Der exophore Mensch wird symptomatisch die gleichen Probleme äussern und in einem Gespräch: Kopfschmerzen, Müdigkeit beim Lesen, Konzentrationsprobleme, brennende oder rote Augen etc. beschreiben. Die Wellness-Variante wäre aber Kontraproduktiv, wenn nicht sogar schädlich.
Hier ist Visualtherapie oder eine Prismenbrille die bessere Lösung. Obgleich der anglo-amerikanische Optometrist zu bedenken gibt, das eine Exophorie auch eine dekompensierte Esophorie sein kann.
Es lohnt sich also für Optometristen, wenn sie nicht nur Augenoptiker sein wollen:
Fern-Phorie, Nah-Phorie und AC/A ins Verhältnis zu setzen bevor ein derartiges Glas verkauft wird. Kunden empfehle ich die selbsternannten Experten zu prüfen und nicht optimal funktionierende Brillen zurück zugeben. Vermutlich sind es gerade mal 5-10% aller Kunden die mit einem derartigen Glas Erleichterung spüren. Als günstige Gleitsichtbrille ist es zwar nicht gedacht, funktioniert aber relativ gut. Der grösste deutsche Hersteller hat zudem sein Glasdesign dem Gleitsicht angepasst, sodass es eigentlich keinen Unterschied mehr macht.
Hallo, wie bewerten Sie die Eignung von Wellness Gläsern bei schielenden Kunden ohne Stereosehen? In diesem Fall gibt es doch gar keine “echte” Konvergenz.
Hallo
Das kommt drauf an und kann man nicht pauschal beantworten. Es gibt diverse Varianten von Schielen und sehr individuelle Ausprägungen. In manchen Fällen wäre es sinnvoll, manchmal nicht und gelegentlich vermutlich sogar schädlich. Echtes Schielen darf in Deutschland eigentlich nur der Augenarzt bewerten. Es gibt sowas wie ein verstecktes Schielen das darf auch der Optiker. In dem Fall wäre ein Wellness Glas denkbar wenn man Tendenz nach innen schielt. Und völlig überflüssig wenn man nach aussen schielt. Aber es ist wirklich zu komplex um es pauschal zu beantworten. Haben sie mehr Informationen?
Danke für die Antwort
Ralf Jann