


Das Thema wird momentan in der Welt der Augenoptik aufgekocht und hoch geputscht.
Kurzsichtigkeit = Myopie
Es ist aber kein neues Thema, bereits 1800 haben deutsche Augenärzte, wie auch französische, vor der Kurzsichtigkeit der Bevölkerung gewarnt. Neu an dem ganzen Thema ist die gute Qualität der Messtechnologie und das bessere Verständnis der Prozesse, die zur Kurzsichtigkeit führen. Allerdings sind wir weit davon entfernt es zu verstehen oder es verstanden zu haben.
Es gibt noch zahlreiche Lücken in den Erklärungen. Die Wissenschaft weiss dass, die Industrie vergisst das gelegentlich in der Werbung zu erklären. Die Entwicklung der Myopie ist oft gekoppelt mit dem Wachstum des Auges. Daher gehört es zwingend dazu das Wachstum des Auges zu kontrollieren, will man die Myopie beobachten und verstehen. Nun kann das Auge aber nicht nur in der Länge wachsen, sondern diverse Formen annehmen. Es wächst Zentral, in der Peripherie und Gesamthaft. Es ist vielfältig. Die besten Möglichkeiten zur Messung der Augenform sind MRT und OCT, beide finden sich üblicherweise nicht bei einem Optiker.
Der Optiker kann auf einfache Möglichkeiten zurückgreifen, bei denen die axiale Länge überprüft wird. Sollte diese ≥26,5mm sein steigen die Risiken kontinuierlich. Obwohl es sich hierbei nur um einen Parameter handelt, ist das Screening an dieser Stelle eine gute Option, um frühzeitig zu intervenieren. Augenoptiker bieten in Flyern Informationen, Studien und Statistiken an. Allerdings sind die meisten Statistiken, die Optiker anbieten, nicht seriös. Die Studienlage basiert auf Querschnittsdaten und liefert keine repräsentative Stichprobe. Die diversen Risikoberechnungen im Internet oder beim Optiker sind auf Basis der Studien nicht wissenschaftlich; auch wenn diese von Instituten ausgegeben worden sind.
In Deutschland erblindet aktuell etwa ein Mensch von 100.000 Einwohnern, das sind 0,001% oder 800 Erblindungen durch Kurzsichtigkeit pro Jahr. Das sind knapp 10% aller Erblindungen. Das bedeutet das 7200 Menschen an anderen Ursachen als Kurzsichtigkeit erblinden. Zusammenfassend kann man sagen dass in Deutschland etwa jeden Tag 3 Menschen an Myopie erblinden und 10 bei einem Autounfall ums Leben kommen.
Wenn die Myopie ein progressiver Prozess ist, also fortschreitet, wird sie bedenklich. Aber nur wenn auch ein Wachstum der Augen besteht, steigert sich nachhaltig das Risiko für sekundäre Erkrankungen. Mittlerweile wird auch die Aderhaut, die stärkste und robusteste Haut unseres Körpers unter die Lupe genommen. Es ist festzustellen dass sich diese bei einer Myopie verdünnt und damit die Risiken für Erkrankungen steigen.
Ein seriöser Augenoptiker und Optometrist macht immer darauf aufmerksam, das ein Kunde zusätzlich zur Bestimmung der Brillenwerte zur Gesundheitskontrolle zum Augenarzt muss. Im Falle einer Myopie sollte das mit etwas mehr Nachdruck geschehen. Aber alleine die Korrektur der Brille ist kein Indiz für das Wachstum des Auges. Wenn sie nun eine axiale Messung oder eine Kontrolle der Netzhaut beim Optiker machen, darf er auf Basis seiner Kompetenz, keine Diagnose stellen. Das ist die Fachkompetenz der Augenärzte. Deswegen plädiere ich für Aufklärung und Flyer ohne Angst und Schrecken. Für mich ist Myopie-Management in der Augenoptik aktuell ein Werbemittel, das die Eltern in Panik versetzen soll.
In der Fachwelt werden diverse Ideen beschrieben warum wir kurzsichtig werden. Das ist zum einen genetisch bedingt, aber auch epigenetisch. Wenn deine Eltern kurzsichtig sind, ist zwar dein Risiko auch kurzsichtig zu werden erhöht aber nicht in „Stein gemeißelt“. Wir haben mit unserem Verhalten einen Einfluss (Epigenetik). Wer in jungen Jahren viel in die Nähe schaut, wird schneller kurzsichtig. Das kurzsichtig-werden ist zudem gar kein Fehler der Natur, sondern ein wichtiger Effekt. Alle Kinder kommen weitsichtig auf die Welt und bauen diese dann langsam ab. Optimal ist es wenn der Prozess bei null, der sogenannten Emmetropie, stoppt. Ist aber der Stein erst einmal zu schwungvoll ins Rollen gekommen, kann er manchmal nicht mehr recht aufgehalten werden. Europäische Kinder bauen im Schnitt pro Jahr ein halbe Dioptrie ab, asiatische Kinder etwa 0,8dpt. Deswegen sind asiatische Kinder per Genetik eher kurzsichtig, als europäische. Die Sorge dass wir in gleichem Umfang myop werden wie der asiatische Kontinent ist nicht ganz begründet. Leider haben wir bisher auch aus den dort gemachten Erfahrungen keinen Nutzen gezogen, sondern hören auf die Industrie, die uns die Lösungen vorgibt.
Was hilft nun gegen den Prozess?
In der Medizin wird Atropin, ein Nervengift, als effektivste Waffe eingesetzt. In allen Studien zeigt sich der beste Effekt mit diesen Augentropfen. Allerdings wird damit nur die Kurzsichtigkeit gebremst, das Wachstum des Auges nicht.
Des Weiteren gibt es Kontaktlinsen und Brillengläser die eingesetzt werden. Hier sind die Erfolge sehr unterschiedlich und zumeist bisher, nur von den Herstellern bestätigt. Bei Instituten und Veröffentlichungen lohnt es sich immer, den Eigentümer anzuschauen bevor man ein vorschnelles Urteil fällt.
In allen Meta-Studien bestätigt, ist der Sonnenlicht-Konsum, das beste und einfachste Mittel zur Prävention. Da der Stein bei Kindern bereits im Krabbelalter ins Rollen gebracht werden kann, muss hier klar die Empfehlung lauten:
Kinder gehören jeden Tag mindestens 2 Stunden an die frische Luft.
Bei jedem Wind und Wetter.
Die Intensität des Sonnenlichtes ist dem künstlichen deutlich überlegen und zudem „natürlich“. Kinder sollten zudem mit 6 Monaten, mit 3 Jahren und ab der Schulzeit jedes Jahr beim Augenarzt vorstellig werden. Einige Kontrollen sind in Deutschland beim Kinderarzt bereits obligatorisch, dennoch ist es empfehlenswert den Spezialisten zur Vorsorge aufzusuchen.
Myopie – Information bei Optiker:
Weil bei Menschen mit hoher Myopie die Wahrscheinlichkeit für sekundäre Erkrankungen steigt, muss frühzeitig auf die Wichtigkeit einer augenärztlichen Kontrolle hingewiesen werden. Hierbei obliegt es dem Ophthalmologen die Risiken zu bewerten und die Kontrollabstände zu definieren und gegebenenfalls Therapien anzubieten. Der moderne Augenoptiker von heute kann zusätzlich Geräte anschaffen, um Baulänge und Netzhaut im Blick zu behalten. Da er aber nicht medizinisch ausgebildet ist, ist eine Diagnose unspezifisch und unprofessionell. Es dient dem Screening. Wenn es dem Augenoptiker und dem Augenarzt gelingt hierbei zusammen zu agieren, dient das der engmaschigen Kontrolle und dem Wohl des Kunden.
Optiker die mit Werbung auf das Risiko einer Myopie aufmerksam machen und diese Angst breit in die Bevölkerung streuen wirken hierbei, für mich, nicht förderlich. Zumeist sind sie fachlich nicht kompetent genug für die Betreuung von Kindern und das ausmessen derer Korrekturen. Kinder sind unser kostbarstes Gut, gerade deswegen dürfen wir nicht „blind“ in Panik geraten. Die medizinische Vorsorge in Europa ist hervorragend. Die beste Prävention ist kostenfrei. Unser Verhalten hat Einfluss, das ist gleichermaßen gut, wie auch schwierig.
Stoppt die Panik mache, informiert selektiv und seriös
ist mein Appell an die Berufskollegen.