Visualtraining

Der Begriff Visualtraining wird oft auch mit VT oder Vt abgekürzt und ist in Deutschland und der Schweiz nicht reglementiert.

Es gibt sicherlich zwei wichtige Aspekte, die hier unterschieden werden können. In der Welt der Funktional-Optometristen wird VT benutzt, um die vorhandene Qualität des räumlichen Sehens zu optimieren. Sie benutzen dafür Methoden, die in den USA auch die Doktoren der Optometrie anwenden. Damit sehen sie sich bestätigt in dem, was sie machen. Der amerikanische Optometrist hat sich allerdings wissen-schaftlich weiterentwickelt und seine Methoden der aktuellen Forsch-ung angepasst.

Einige Übungen sehen in den unterschiedlichen Disziplinen gleich aus, daher ist für einen Laien und sogar für einen Profi eine Abgrenzung schwierig. Der Funktional-Optometrist führt meiner Meinung nach ein Visualtraining aus während der Doktor der Optometrie und die deutschen Orthoptisten eine Visualtherapie anbieten.

Eine andere Form des Trainings, das es gibt, ist es seine Sehstärke so zu optimieren, dass man keine Sehhilfe mehr benötigt. Dieser Weg wird in einigen Methoden angeboten. Das hat sicherlich in vielen Fällen Erfolge erzielt. Diese Form der, ich nenne es mal visuellen Erleuchtung, ist spannend, aber nicht ganz meine Überzeugung.

Ich verstehe Visualtraining im Rahmen der Komplementär-Optometrie gerne als Erleichterung, um den Alltag besser zu begehen. Das damit gelegentlich auch Schwankungen der Korrektion einhergehen, ist nur verständlich.

Ich möchte hier gerne die Gelegenheit nutzen alle mir bekannten Formen aufzuzählen und biete Dir an, Dich selbst auf den Weg zu machen, die eine oder andere Methode intensiver zu erkunden.

Bates-Methode – die Mutter der Visualtherapie

In den wissenschaftlichen Veränderungen um 1900 haben viele grosse Persönlichkeiten ihre Spuren hinterlassen, die wir noch heute kennen. Ivan Pavlov (1849-1936) legte den Grundstein für die behavioristische Lerntheorie in den USA. Donald O. Hepp (1904-1985) trug in der Psychologie massgeblich dazu bei, diese Ideen zu verfestigen. In dieser Zeit gab es in der Wissenschaft viel Bewegung speziell sicherlich auch die Physik, die anfing, sich um Quanten Gedanken zu machen. Es ist also nicht wirklich verwunderlich, dass der Augenarzt Dr. med. William Bates (1860-1931) in dieser Zeit angefangen hat, die damalige, teilweise auch heute noch gültige Lehrmeinung zum Auge infrage zu stellen. Er entwickelte Übungen, die es ermöglichen sollten, sich ohne Brille im Alltag zurechtzufinden. Viele dieser Übungen sind heute in den Visualtrainings vieler anderer Methoden integriert, obgleich diese oft die Bates-Methode ablehnen. Bates hatte den Menschen im Fokus und nicht nur seine Augen, deswegen waren seine Ansätze immer ganz-heitlicher. Vielleicht ist es seine absolutistische Meinung, jeder kann ohne Brille leben, wenn er nur will, der Grund warum es vielfach Ablehnung gab und gibt. Seine Übungen sind aber im Einzelnen wertvoll und sein Gedanke sich gesamtheitlich um den Menschen zu kümmern sicherlich sinnvoll.

Die Bates-Methode hat seinen dokumentierten Ursprung, wenn man das so bezeichnen möchte, mit dem Buch Rechtes Sehen ohne Brille von 1920. Danach wurde diese Methode vielfach unter einem anderen Label angeboten und verkauft. Bereits 1930 hat der indische Augenarzt Agarwal die Methode leicht angepasst in den asiatischen Markt eingeführt. Seine Erfahrungen erklärt er 1953 in seinem Buch Mind and Vision and Secrets of Indian Medicine. Weitere berühmte Mitstreiter waren Margret Corbet, die sogar 1943 wegen der Ausführung der Methode vor Gericht gestellt wurde oder auch Clara Hackett, die 1955 das Buch Relax and see, a dailiy guide to better vision veröffentlicht hat. In den 1990er Jahren hat Janet Goodrich weitere Werke mit Bezug auf Bates veröffentlicht. Heute sind eine Vielzahl von Gurus und Wunderheilern auf dem Spielplatz der Sehtrainingsmethoden unter-wegs, die zumeist nichts Neues erfinden, sondern immer nur Bates wieder erwärmen. Viele seine Methoden sind bereits zu seiner Zeit in die Optometrie der amerikanischen Wissenschaft eingepflegt worden. Allerdings wurden auch viele unwissenschaftliche Methoden über die Jahre ausgemustert, sodass wir heute von einem Sehtraining bei Bates sprechen können und einer Visualtherapie bei wissenschaftlich ausgebildeten Optometristen. Oftmals wenden sie die gleichen Methoden an, daher ist eine Abgrenzung für Aussenstehende sehr schwierig.

Seit den 90er Jahren ist eine unzählige Anzahl an Trittbrettfahrern auf dem Markt erschienen, in den allerseltensten Fällen mit einer Quellen-angabe zu Bates.

Norbekov-Methode 

Mirsakarim Norbekov ist Doktor der Psychologie, Pädagogik und der Medizinphilosophie. Als ehemaliger Vizemeister der UdSSR in Karate und Experte der Sufi-Medizin hat er eine unglaubliche lange Liste der Fachkompetenzen.

In Europa ist er relativ unbekannt. Es ist rein spekulativ zu vermuten, dass es etwas mit seiner Herkunft zu tun haben könnte. Aber ein Professor aus Cambridge oder Harvard tönt sofort seriöser als ein Wissenschaftler aus dem Ostblock. N´est pas?

Vermutlich fallen wir alle immer wieder mal auf Vorurteile herein, dennoch ist der sogenannte Ostblock ein riesiges Portfolio der Ideen und kulturellen Besonderheiten.

Professor Dr. Norbekov nimmt jeden Menschen in die Pflicht, sich um sich zu kümmern. Er behauptet, so habe ich sein Buch verstanden, das jeder Mensch alles erreichen kann, wenn er es nur wirklich will. Zu diesem Zweck bietet er Übungen an, die noch viel mehr sind, als blosse Augenübungen. In seinen ebenfalls in Deutschland zu besuchenden Seminaren geht er den 4 Stufen Weg zur inneren Erleuchtung.

Stufe 1 Wiederherstellung der Gesundheit

Stufe 2 vollkommene Körperbeherrschung

Stufe 3 Intuitionstraining

Stufe 4 Masterstufe

In Bezug auf die Augen bedeutet es tatsächlich das eigenständige Korrigieren der Sehfähigkeit und damit der Albtraum aller Optiker. Deswegen werden Bates, Norbekov und Nakagawa und alle anderen, die behaupten, die Augen können nicht nur entspannter werden, nein auch besser gerne als Scharlatane bezeichnet, nehmen sie dem Augenoptiker doch seine Kunden weg. Das ist aber eine sehr begrenzte Wahrnehmung.


In der Norbekov-Methode finden sich viele Übungen, die die Flexibilität der Augen im Mittelpunkt haben und das ist grundsätzlich eine Förder-ung der natürlichen Funktion.

Auch sind viele Übungen auf den ganzen Körper bezogen und er fordert seine Patienten aktiv auf für eine gute körperliche Beweglichkeit und Entspannung zu sorgen. Betrachtet man die einzelnen Methoden sehr streng, muss man doch zu dem Schluss kommen, dass auch Dr. Nor-bekov sich an der Basis der Bates-Methode bedient haben könnte.

Nakagawa – Methode

Nachdem Bates aus den USA, Norbekov aus Russland ist, kommen wir nun zu Dr. Kazuhiro Nakagawa aus Japan. Auch er hat erkannt, dass das Sehen keine endgültige Sache ist, die sich eben entwickelt, wie sie sich entwickelt, sondern dass wir einen Einfluss darauf haben. Der Verstand und das Wohlbefinden sind massgeblich für unseren Erfolg des Sehens. Ihm geht es darum, dass jeder, wirklich jeder einen Trainingseffekt haben kann. Aber auch er sagt, ohne Fleiss keinen Preis. In der modernen Wissenschaft kleben wir Hühnern Brillen auf die Augen, um zu sehen, was passiert. Diese Hühner verändern ihre Augen und werden fehlsichtig. Diese Erkenntnis wird sogar bei Optometristen besprochen, aber nicht der weitere Effekt. Wenn die Hühner die Brille wieder abgenommen bekommen, entwickelt sich das Auge wieder zurück.

Es kann also ein Training in beide Richtungen stattfinden, ich finde, das ist eine gute Nachricht.

Dr. Nakagawa stärkt das Bewusstsein, die Wahrnehmung und macht neben zahlreichen Augentrainings immer wieder auch Kopf- und Nackenübungen zudem ähnlich wie in der Kinesiologie Körperübungen.

Vivid Vision, Neuro Vision und Caterna

Vide Vision ist ein neueres 3D-Brillen-System für Visualtraining nach bereits bestehenden Ideen. Diese Umsetzung ist kritisch zu betrachten, weil hier das Sehen in einem simulierten System erlernt werden soll. Um ein klares räumliches Sehen zu haben, braucht es aber überhaupt erst mal ein funktionierendes 3D-System. Theoretisch sollte man trainieren, um diese Geräte nutzen zu können. Vivid Vision betreibt in Stuttgart das erste Virtuell-Reality-Sehtrainingszentrum in Deutschland.

Die Variante Neuro Vision existiert seit 1999 und ist ein Übungstool, das am PC genutzt wird. Es stammt aus Singapur und dem Iran und ist in den USA von der FDA als Amblyopie-Trainingsgerät zugelassen worden.

Eine weitere digitale Lösung sind die Shutterbrillen Amblyz. Auch hier wurden alte Ideen mit neuerer Technik neu aufpoliert.

Ebenfalls in die Familie der PC-Varianten gehört die Software Adlerauge Anyel. Dieses laut eigenen Aussagen neuropsychologisches Trainings-programm zur visuellen Förderung bei Kindern zwischen 5 und 9 Jahren wird von verschiedenen Therapeuten nach einer Einführung durch den Hersteller angeboten. Die Wirksamkeit ist laut Aussagen der Thera-peuten unumstritten, ein wissenschaftlicher Beweis fehlt aber völlig. Es wurden allerdings nur bereits vorhandene Ideen zusammengesetzt und daher ist es im Grunde auch keine Weiterentwicklung, sondern nur eine neue Möglichkeit einer bezahlten Therapie.

Caterna ist eine Online-Therapie für amblyope Kinder. Diese Software wird aktiv in Augenarztpraxen eingesetzt und in der Sehschule von Orthoptisten empfohlen. Das Prinzip ist relativ einfach und funktionell.

Fazit:

Für mich gibt es an den Methoden rund um Bates das Problem, das ich einige absolutistische Aussagen nicht akzeptieren kann. Eine oftmals getroffene Kernaussage ist, dass jeder ohne Brille leben kann. Es komme nur auf die Motivation an. Das glaube ich nicht. Du kannst alles schaffen, wenn Du nur willst, ist in meinen Augen ein Trugschluss. Menschen haben genetische Voraussetzungen, die auch bei bestem Willen nicht änderbar sind. Ich werde mit 170 cm niemals NBA Profi. Meine Unsportlichkeit ist sicherlich mangelndes Training, aber meine Konstitution erlaubt mir vermutlich nicht an eine Karriere als Leicht-athlet zu glauben.

Schlechte Augen sind ein Zusammenspiel von Genetik und Umgebung. Ich bin im Rahmen der Komplementär-Optometrie sehr sicher, dass viele Menschen noch erhebliches Potenzial haben, um mit Übungen besser zu sehen, aber ein Leben ohne Brille mag ich nicht für jeden glauben. Dieser Absolutismus mag es vielleicht sein, der manche dieser sehr guten Theorien aus der wissenschaftlichen Welt getrieben hat.


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